Konservative und minimalinvasive Therapie bei Rückenschmerzen
In kaum einem anderen Bereich der Medizin gibt es so viele unterschiedliche und auch fragwürdige Therapieansätze wie bei der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen wie z.B. dem Bandscheibenvorfall, der Spinalkanalstenose, der Instabilität oder einfach nur von Rückenschmerzen. Die Breite des Kenntnisspektrums über die Behandlung solcher Beschwerden unter „Laien“ ist umgekehrt proportional dem gesicherten und wissenschaftlich fundierten ärzlichem Wissen.
Wie geht ein Neurochirurg vor?
Ihr behandelnder Neurochirurg ist bei Beschwerden aus dem Formenkreis der Rückenschmerzen und Nervenwurzelkompressionssyndrome immer gefordert, zwischen Schmerzen, Ängsten, psychosomatischen Beschwerden und auch Unwissen eine geeignete individuelle Therapie zu definieren und zu finden.
Komplizierend tritt hinzu, dass der Glaube an eine Unfehlbarkeit und Allmacht der heutigen Bildgebung (z.B. MRT) deutliche Probleme im Hinblick auf falsch negative Befunde und durch falsch positive Befunde mit sich bringen kann. Was bedeutet dies: Ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten, die keine Beschwerden haben zeigen in der CT oder MRT ihrer Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule eindeutige Bandscheibenvorfälle. Auf der anderen Seite sollten auch nicht sofort beim Auftreten von Beschwerden, die auf eine Nervenwurzelreizung hindeuten alle möglichen Register der Diagnostik gezogen werden, das soll heißen ein Großteil der Beschwerden klingt spontan von selbst ab, zum Teil auch ohne wesentliche Behandlung.
Wenn natürlich über einen längeren Zeitraum Schmerzen bestehen und neurologische Ausfallserscheinungen hinzutreten muss eine geeignete Diagnostik erfolgen, heute erst eine Röntgenaufnahme des betreffenden Abschnitts der Wirbelsäule bzw. bei Defiziten in der neurologischen Untersuchung ein MRT.
Zudem ist es zwingend erforderlich mit Beginn der Behandlung die bestehenden Differentialdiagnosen von Rückenschmerzen/Nervenwurzelreizungen abgeklärt zu haben: Schultergelenksaffektionen, Ulnarisrinnensyndron (Sulcus ulnaris Syndrom, SUS), Karpaltunnelsyndrom (KTS, CTS), Hüftgelenk- und Iliosakralgelenksbeschwerden.
Wenn Sie einen Besuch beim Neurochirurgen in betracht ziehen, können wir sie gerne weiter beraten.
Beschwerden bei Rückenschmerzen
- Verspannungen der Rückenmuskulatur
- nach oben ziehende Schmerzen bis zum Brustkorb
- nach unten ziehende Schmerzen bis in den Po
- Gefühl eines Hexenschusses
- Gefühl schief zu sein bzw. tatsächlich schief zu stehen
- Bewegungseinschränkungen der LWS
- Schmerzen bei Vorneigung (z.B.: beim Zubinden der Schuhe)
- Schmerzverstärkung beim Husten, Niesen und Pressen
- Beschwerden der Halswirbelsäule
- Beschwerden der Lendenwirbelsäule
Was sind die Ursachen für Rückenschmerzen?
Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nr. 1. Fast jeder dritte ist betroffen, d.h. rund 70% der Menschen leiden immerhin einmal im Jahr unter Rückenschmerzen und immer häufiger trifft es auch jüngere Menschen. Diese Tendenz ist steigend. Gründe hierfür sind vielfältig: mangelnde Bewegung, eine schlechte Körperhaltung, einseitige Belastung, aber auch psychische Anspannungen, wie Stress können das Auftreten von Rückenschmerzen begünstigen.
Mangelnde Bewegung kann zu Rückenschmerzen führen: die tragenden Elemente, die Wirbelkörper, werden ohne Belastung schwächer in ihrer Substanz, die stabilisierenden Bänder werden schwächer, die bewegenden Muskeln nehmen ab, die Bandscheiben, die von Be- und Entlastung leben werden brüchig.
Die Wirbelgelenke, die die Wirbel miteinander gelenkig verbinden „rosten“ und verschleißen. Zu geringe Bewegungsreize lassen sämtliche Bauteile der Wirbelsäule verändern.
Die Ursachen von Rückenbeschwerden können vielseitig sein. Die nachfolgende Übersicht beschreibt die wohl häufigsten Krankheiten und deren Hintergründe in knappen Worten:
Muskelverspannungen
Bandscheibenvorfall
Bandscheibenvorwölbung
Erkrankung der Wirbelsäule, bei der Teile der Bandscheibe in den Spinalnerven- oder Rückenmarkskanal vortreten, der Faserring der Bandscheibe wird durch feine Risse geschwächt. Folgende Symptome können unter anderem auftreten: Lokale Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, Schmerzen im Nacken, Armen und Beinen möglich, Einschränkung der Beweglichkeit. Meist ist von einer Bandscheibenvorwölbung der untere Bereich der Lendenwirbelsäule betroffen, da dieser am stärksten belastet ist, gefolgt von der Halswirbelsäule. Die Brustwirbelsäule ist selten betroffen.
Verschleißbedingte Wirbelsäulenerkrankung, bei der eine relative oder absolute Enge des Spinalkanals vorliegt. Symptome sind Schmerzen in Nacken, Armen, Beinen und Füssen, Muskelschwäche, Gangunsicherheiten, Bewegungseinschränkungen.
Spondylarthrose
Verschleißbedingte Veränderung der Wirbelbogengelenke. Der degenerativ verursachte Reizzustand des Gelenks führt oft zu einer Quetschung oder Irritation der Nervenwurzel. Symptome sind immer wieder auftretende Schmerzzustände, manchmal an die Jahreszeit (feuchtes, kaltes Wetter) gekoppelt.
Spondylolisthesis
Erkrankung, bei der sich zwei Wirbel gegeneinander verschieben (sog. Wirbelgleiten). Die Ursache liegt zumeist in Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule aufgrund einer Schwächung der Bänder. Dies bewirkt eine nachlassende Festigkeit der Wirbelgelenke und der Bandscheiben, so dass sich bei bestimmten Bewegungen ein Wirbelgleiten einstellen kann. Symptome sind u.a. Schmerzen „tief im Rücken sitzend“, Muskelschwäche, das Gefühl einer „instabilen“ Wirbelsäule.
Lumbago („Hexenschuss“) / Lumbalgie
Wirbelbruch
Konservative Therapie
Die konservative Therapie bei z.B. Bandscheibenvorfällen in der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule zielt vornehmlich auf das Hauptsymtom ab, welches die Patienten zum Arzt führt: der Schmerz. Im Vordergrund jeglicher Behandlung ist demnach die Bekämpfung des Schmerzes.
Früher wurden die Patienten häufig ruhiggestellt in Form von Bettruhe. Es hat sich gezeigt, daß dies nicht mehr notwendig ist, sondern sogar auch schädlich sein kann. Ein Patient mit massiven Lumbagobeschwerden (Rückenschmerzen) sollten natürlich versuchen am Tage mehrere Stunden in einer entlastenden Stufenlagerung zu verbringen, aber sicherlich sollte nicht versucht werden die ganze Nacht in dieser Stellung zu verbringen, da man sich dann eher „verlegen“ kann und es zu einer Verstärkung und nicht Linderung kommen kann. Die bei Beschwerden der HWS oft angewandte Halskrawatte zur Ruhigstellung ist nicht dazu da die Beweglichkeit zu vermindern, sondern erzielt eher durch eine stattfindende Wärmeabgabe einen positiven Effekt.
Die Wärmeanwenung hat sich bei allen Formen von Nervenriezungen und Rückenschmerzen bewährt, wobei die oberflächliche Wärmeanwendung (z.B. Heizkissen) eher nur zu einer Mehrdurchblutung der Haut führt und die Wärme nicht in die tieferen Schihcten gelangt, da sie vom Blutsystem abtransportiert wird. Fangopackungen oder auch Tiefenbestrahlungen mit Wärme ist wesentlich effektiver, da hierdurch der Abtransport schädlicher Stoffwechselsubstrate aus der verhärteten Muskulatur verbessert wird.
Bei einigen Patienten kann eine manuelle Therapie oder Massagebehandlung der Rückenstreckmuskulatur sinnvoll sein und helfen. Es kann aber durchaus passieren, daß die Behandlung auch zu einer Zunahme der Schmerzen führen können, in diesem Fall ist die Massage zu unterlassen. Die Patienten müssen auch mitarbeiten und berichten inwieweit die Übungen z.B. beie iner Krankengymnastik/Physiotherapie eine Linderung erbracht haben. Ein Patient mit aktuen Schmerzen wird von einer früzeitigen Krnaknegymnastik eventuell nicht profitieren, da er die angeboteten Übungen nicht korrekt absolvieren kann wegen der Schmerzen.
Medikamentöse Schmerzbehandlung
Die Schmerzbehandlung wird durch die Gabe von üblichen Analgetika oder die Verordnung von Muskelrelaxanzien angefangen. Damit soll der sich immer wieder selbst unterhaltende Kreislauf zwischen Schmerz, Verspannung und Verstärkung der Schmerzen unterbrochen werden. Die Patienten müssen darauf hingeiwesen werden, daß die verordneten Schmerzmitell individuell ganz verschieden wirken können und auch einen unterschieldichen Eeffekt haben können. Wichtig sin zu Beginn die Gabe von akut wirksamen Schmerzmitteln wie z.B. mit Novalminsulfon. Zudem sind entzündungshemmende Medikamente wie das Ibuprofen und das Diclofenac sehr wirksam. Bei höchst aktuen schweren Schmerzen kann auch im Ausnahmefall die Gabe von Morphinabkömmlingen gerechtfertigt sein, nicht aber über einen längeren Zeitraum und schon garnicht bei akuten Bandscheibenvorfällen mit Kompression der Nervenwurzel. Das gilt insbesondere auch für die Schmerzpflaster.
Im weiteren bietet sich auch eine Infusionsgabe an, z.B. mit Cortison in Kombination mit einem stärkeren Akutmittel wie dem Novalminsulfon. Diese Infusionen können bis zu drei Mal in Folge wiederholt werden. Zudem ist der psychologische Effekt durch die alleinige Verabreichung einer Infusion nicht zu vernachlässigen und durch die Umgehung des Verdauungstraktes eine viel höhere Wirksamkeit zu erreichen.
Bei länger anhaltenden Beschwerden und fehlender Effekt von physikalischer Therapie sollte eine CT-gesteuerte Schmerztherpie dem Patienten angeboten werden.
Facetteninfiltrationen und periradikuläre Therapie (PRT)
Die CTgesteuerte Schmerztherapie (mit der Möglichkeit der Facettenblockaden, Facetteninfiltration, PRT, Thermodenervation) bietet eine wenig traumatisierende Behandlungsmethode bei übertragenen Schmerzen mit ihrem Ursprung aus dem Bereich der kleinen Wirbelgelenke. Die Bedeutung und Häufigkeit der Beteiligung der Facettengelenke an Rückenschmerzen ist nicht zu unterschätzen. In erster Linie werden Rückenschmerzen durch die kleinen Wirbelgelenke ausgelöst („mechanical low back pain“). Auch bei Patienten mit bestehenden Bandscheibenvorfällen oder Spinalkanalstenosen ohne neurologische Ausfälle, kann der Rückenschmerz und auch die teiweise austrahlenden Schmerzen durch degenerative Facettengelenksveränderungen erklärt werden. In Studien konnte gezeigt werden, daß bei bis zu 80% der Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine MItbeteiligung einer oder mehrerer Facettengelenke aufweisen. Bei bis zu 20% dieser Patienten findet sich als Ursprung der Rückenschmerzen ein ISG Syndrom, d.h. die Beteiligung des Iliosakralgelenks.
Bereits in den 50ziger Jahren und zu Beginn der 60ziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden Infiltrationen in die Wirbelgelenke mit Erfolg durchgeführt, und man konnte somit die deutliche Schmerzpotenz der Facettengelenke nachweisen. Diese Therapie geht auf Untersuchungen in der 50ziger Jahren zurück, in denen man zeigen konnte, daß die degenerativen Veränderungen der Wirbelgelenke als Folge von Bandscheibenverschleiß und -schrumpfung für das Entstehen von pseudoradikulären Beschwerden führt. Pseudoradikulär bedeutet, daß die Schmerzausstrahlung nicht einer Nervenwurzel folgt und daß auch bildmorphologisch eventuell gar keine Nervenwurzelkompression vorliegt. Somit sind chronische Rückenschmerzen und ausstrahlende Beschwerden z.B. in das Gesäß oder in die Oberschenkel eher ein Zeichen für eine Facettengelenksproblematik udn weniger ein Hinweis auf einen eindeutigen Bandscheibenvorfall.
Die periradikuläre Therapie (PRT) an der LWS und HWS wird bei uns mit Cortison durchgeführt. Ein Lokalanästhetikum wird nicht beigemischt, da dies unweigerlich zu motorischen Ausfällen, also Lähmungen nach der Therapie führen kann. Diese sind zwar nur passager, und lösen sich auf sobald sich das Lokalanästhetikum resorbiert hat, doch für den Patienten sicherlich unangenehm und auch nicht zielführend, da der Schmerz im Arm oder Bein das Problem ist. Hierfür wird Cortison injiziert, welches eine Beeinflussung der entzündungsähnlichen Vorgänge in der komprimierten (z.B. durch einen Bandscheibenvorfall) Nervenwurzel ermöglicht, unter der Vorstellung, daß die Schwellung des Nerven beeinflusst wird und damit der Kompressionseffekt verringert wird.
PRTs führen wir bei Wurzelkompressionssyndromen durch, also bei Druck auf einen bestimmten Nerv durch einen Bandscheibenvorfall oder auch durch eine köcherne Enge im Bereich des Spinalkanals. Eine Injektion des Cortisons in die Nervenwurzel muss unter allen UMständen vermieden werden, da dies zu einer Schmerzzunahme oder gar Ausfallserscheinungen führen kann. Deshalb erfolgt die Behandlung im CT, da hier eine Genauigkeit und Kontrolle der durchgeführten Infiltration im Millimeterbereich gewährleistet ist.
Es muss den Patienten immer vor Augen geführt werden und daruaf hingewiesen werden, dass die konservative und minimal invasive Methoden wie die CT-gesteuerte Schmerztherapie nicht eine offene Operation mit Dekompression der Nerven ersetzen können, sondern es sind Methoden, die zunächst im Rahmen einer konservativen Behandlung eine deutliche Besserung der Beschwerden erzielen sollen.
Injektionsbehandlung an der Wirbelsäule
Durch die Injektion von entzündungshemmenden und schmerzstillenden Mitteln an die Ausgangsstelle der Schmerzentstehung (Nozizeption) an der Wirbelsäule kann man unmittelbar an Ort und Stelle behandeln ohne den Gesamtorganismus mehr als nötig mit Medikamenten zu belasten.
Die CT-gesteuerten Infiltrationen geben ihrem Arzt die Möglichkeit direkt die Primärursache an der Wirbelsäule anzugehen, somit können auch systemische Nebenwirkungen auf den Körper vermieden werden.
Auch zur topographischen Diagnostik ist die CT-gesteuerte Infiltrationstherapie bestens geeignet. Wenn man zwar in der Bildgebung bereits die Ursache der Schmerzen festgestellt hat, aber diese an mehreren Punkten zu finden ist (also verschiedene Ursachen bestehen können), dann eignet sich die minimalst interventionelle Infiltration mit Unterstützung des CTs in hervorragender Weise über serielle Infiltrationen an verschiedene Stellen die Lokalisation immer mehr einzugrenzen. Im konkreten Fall heisst das: Es bestehen zwei Bandscheibenvorfälle z.B. an der Halswirbelsäule. Nun erfolgen mehrmals eine periradikuläre Behandlung (PRT) mit Infiltration von Cortison an die Nervenwurzel C 6 und dann an die Nervenwurzel C 7. Je nach Effekt kann man dann die z.B. infrage kommende operative Behandlung auf das Minimale eingrenzen.